Martin und ich haben die Reise nach Sölden am Donnerstag angetreten. Frank, der mit Familie dort unten Urlaub machte, wartete schon vor Ort.
Zeit für eine Trainingsrunde am Freitag wär noch gewesen, doch wir entschieden uns alle 3 dagegen – zum Teil um angeschlagene Körperteile zu schonen, aber auch einfach, um Körner zu sparen, denn je dichter dieses Rennen kommt, desto kleinlauter wird man.
Von Sölden blickt man hinauf zur Strasse, die man am Ende des Rennens vom Timmelsjoch hinunterkommen wird und fängt zwangsläufig an, sich zu fragen, ob das Training wohl gereicht haben mag, um 100 km bergauf bewältigen zu können.
Ich war sehr nervös und als wir dann am Sonntag um 4:45 aufstanden, froh, etwas Schlaf gefunden zu haben.
Sölden ist an diesem Wochenende komplett auf Radsport eingestellt. Überall gibt es Stände, an denen man sich noch mit Material eindecken kann. Regenartikel waren am Samstag, dank der schlechten Wetterprognose, besonders gefragt.
Wenigstens aber sollte der Morgen noch trocken bleiben und so starteten wir bei immerhin 12 Grad mit einer langen Abfahrt in Richtung Ötz. Jan Ullrich und Jörg Ludewig vorneweg.
Schon nach kurzer Zeit ein schwerer Unfall. Ein Fahrer lag bewegungslos am Boden, umringt von Sanitätern. Später erfuhren wir, das er bei hohem Tempo mit einem Pferd kollidiert war!
Pferde waren auch im Anstieg zum ersten Berg, dem Kühtai, ein Thema:
Wir sahen im Vorbeifahren noch, wie Streckenposten versuchten, zwei Hafflinger daran zu hindern, auf die Strasse zu gelangen. Kurz darauf wurden wir im noch dichtgedrängten Feld von den beiden Pferden überholt.
Ich empfand den Kühtai als recht schwer zu fahren. Auf 19 km geht es 1200 hm hinauf, wobei zuweilen sehr steile Abschnitte (bis angeblich18%) die Fahrer ins Schwitzen bringen.
Die Abfahrt war grossartig. Der Schnellste wurde hier mit 117 km/h gemessen!!
Leider verlor ich kurz vor Ende der Abfahrt den Anschluss an Martin und Frank und hatte so in dem einzig flachen Stück um Innsbruck keine Gruppe. Ich versuchte in Sichtweite zu bleiben und liess ärgerlich viele Körner, was mir dann am Brenner – ich hatte Martin und Frank gerade endlich wieder eingeholt- einen fiesen Oberschenkelkrampf bescherte. So musste ich ein paar Minuten pausieren und dieser Abstand sollte sich bis zum Ende halten.
Frank rettete mir das Rennen mit einer seiner berühmten Magnesiumampullen. Der Krampf kam nicht wieder.
Der Brenner, Berg Nummer 2, ist leicht zu fahren. Auf 39 km geht es 777hm hinauf.
Bei Km 146 wartet dann der Jaufenpass mit weiteren 1150 hm auf 16 km.
Die Strasse ist zwar durchgehend recht steil, aber angenehm gleichmässig.
Oben angekommen war ich schon ziemlich platt und ehrlichgesagt etwas im Zweifel, ob meine Beine das Timmelsjoch noch drin haben würden, aber eine weitere schöne Abfahrt in ein traumhaftes Tal nach Sankt Leonhard, hoben meine Stimmung und ich beschloss, mich nicht unterkriegen zu lassen (was nicht ganz einfach ist, wenn man vom Tal hinaufblickt zum Timmelsjoch…)
Nachdem wir uns noch über warme 20 Grad gefreut hatten, fiel nun, wie angekündigt, das Barometer. Regen setzte ein und wurde immer stärker, während wir uns über nicht enden wollende 26 km die 1750 hm zum letzten Pass hinaufkämpften.
Auf der Strasse herrschte Schweigen. Alle Fahrer starrten nur noch still auf den Asphalt vor sich. Mir half es zu sehen, dass es um mich herum wenigstens niemandem besser ging und angefeuert von teils euphorischen Zuschauern mit lärmenden Kuhglocken, kam auch ich irgendwann bis auf die Knochen durchnässt und bei nur noch 5 Grad oben an.
Geschafft? Nein. Die Abfahrt nach Sölden war grausam. Das Wasser lief in Bächen die Strasse hinunter. Ich hielt die Bremse so gut gezogen, wie meine Eisfinger es noch zuliessen und zitterte vor Kälte so stark, dass sich mein Schlottern auf mein Rad übertrug, was mir auf der steilen Abfahrt Angst machte, die Kontrolle zu verlieren. So freute ich mich richtig über die letzten 200 hm bergauf, die die lange Abfahrt unterbrechen und mir eine kurze Frierpause bescherten.
Dann endlich das Ortschild Sölden! Dank Änderungen in der Strassenführung, war der Ötztalmarathon für uns schon nach rund 220, statt 238 km beendet. Die 5500 hm blieben aber bestehen.
Im Ziel gab man mir sofort eine warme Decke, aber ich war so unterkühlt, dass ich es motorisch nichtmal schaffte, mein Handy zu bedienen, um Martin und Frank zu erreichen, die 9 Minuten vor mir das Ziel erreicht hatten.
Ein Mann sah mich freundlich an, half mir, meinen Rucksack wieder zu schliessen und sagte: “ geh duschen- dein Finisher Trikot kannst du dir auch später holen“.
Ich war froh, dass mir in meinem Zustand jemand sagte, was ich machen sollte und folgte umgehend seinem Rat.
Frank und Martin fanden sich, wie die meisten anderen anderen Radler aus dem Hotel, in der Hotelsauna.
Abends gab es Steak, Bier und ein paar Sambuca und dann einen tiefen tiefen Schlaf im wohlverdienten Bett.
Euer Peter B.