Dreiländergiro von Thomas (07/2010)

 Ich hatte schon vom Dreiländergiro gehört, aber das ich schon in meinem ersten Jahr als Radsportler daran teilnehmen würde, dass hatte ich nun wirklich nicht geglaubt.

Als mich Björn Anfang 2010 ansprach, ob ich mit nach Nauders will habe ich nach kurzem Überlegen gleich zugesagt. Für mich begann ab diesem Zeitpunkt die Einstellung und Vorbereitung. Ich stand unter Zugzwang, da ich kaum Kilometer in den Beinen hatte und das schwerere Problem: ich wog Anfang 2010 noch 110kg!

Aber die Anmeldung war raus und ich fing an auf Nauders hin zuarbeiten.
Ich fuhr bei jedem Wetter und war gedanklich schon in den Bergen.
Das Gewicht ging stetig runter und ich war Guter Dinge. Dann im Frühjahr kamen die ersten RTF`s und ich hing völlig hinterher. Scheiße!
Nauders schien für mich nicht machbar!

Ich beschloss viel alleine zufahren. Auf meinen Körper hören, Rhythmus finden und eine positive Einstellung zum Rennen finden. Ich nahm bewusst an keiner RTF mehr teil und konzentrierte mich nur noch auf mich.

Je dichter der Giro-Termin kam, wurde er auch bei vielen Unterhaltungen immer mehr zum Thema, und dass ich an dieser Tour teilnehmen würde. In meinem Umfeld gibt es viele (Rad-)Sportler.
Jedem dem ich von meinem Vorhaben erzählte schaute mich erstaunt und die meisten auch zweifelnd an. Einige konnten es sich auch nicht verkneifen mir direkt zu sagen: „Das schaffst DU nicht!“
Und es gab genügend Phasen, in denen ich es selber nicht mehr glaubte, dass ich es schaffen würde.

Die letzten 3 Wochen vor dem Rennen war ich gefrustet. Ich kam aus beruflichen Gründen nicht so oft aufs Rad. Gewichtsmäßig war ich nicht auf dem Stand wo ich sein wollte. Ich hatte zwar 15 Kg abgenommen, war nun bei 95 kg und wollte eigentlich unter 90 kg sein.
Und hatte nun ca. 3000km in den Beinen.

Freitag vor dem Start war bei Michi um 6:00 Uhr Abfahrt. Nach ca. 10 Stunden waren wir endlich in Austria angekommen. Den ersten Abend haben wir bei Weizenbier über die Tour gesprochen. Ich hatte körperlich kein gutes Gefühl. Vom Kopf her war ich aber schon total fokussiert.
Leicht angetrunken ging ich am ersten Abend ins Bett. Björn und ich hatten ein Doppelzimmer. Björn kam erst am Samstag, und somit hatte ich zumindest in der ersten Nacht meine Ruhe.

Samstag nach dem Frühstück sind wir gleich aufs Rad. Eine kurze Runde zum Reschensee sollte es werden. Ich fuhr als erster vom Hotel los. Gleich eine schöne Abfahrt, die ich gemütlich angehen wollte. Da schoss Basso zusammengekauert in einem irren Tempo an mir vorbei.


OK! Bleib erstmal ruhig habe ich gedacht, das kannst du auch bald.
Nach kurzem Stopp in Nauders sind wir dann Richtung Reschensee und ich merkte, das ich körperlich doch weit hinter den anderen war. An jedem Hügel verlor ich die anderen aus den Augen. Bei jeder Abfahrt fehlte mit der Mut. Die Jungs mussten immer auf mich warten. Kein gutes Gefühl alle zu bremsen.

Nach 40km waren wir wieder am Hotel und wir nahmen eine Stärkung und ein Weizen zu uns. Die anderen machten einen Spaziergang und ich ging auf mein Zimmer. Ich war schon vom Kopf her beim Rennen und musste/wollte erstmal alleine sein. In mir kamen wieder große Zweifel auf, ob ich das Ganze schaffen würde.

Egal dachte ich. Ich bin hier, ich wollte an den Start und wenn ich es nicht schaffen würde wäre ich nicht der erste und auch nicht der letzte der das Rennen nicht durchfährt!!

Endlich war Cheffe da, was ich in der Nacht dann aber wieder bereute. Ich konnte vor Aufregung und durch Björns schnarchen nicht schlafen.

Nach gefühlt nur ca. 1 Stunde Schlaf ging es nach dem Frühstück ab in die Startaufstellung. Klasse! Geil! ICH stehe in Nauders am Start! Neben mir Cheffe, Haky, Michi und Basso. Ich hatte schon gewonnen. Bei diesem Event mit 3000 Radsportlern. Ich hatte eine Gänsehaut nach der anderen.

Nach dem Reschenpass kam die erste längere Abfahrt, auf der ich mich sehr wohl fühlte. Kurz vorm Anstieg zum Stilfser Joch, bei einer Pause, stand Björn neben mir. Wie wir ihn kennen mit Zigarrette im Mund. Bei der Anfahrt zum Pass verlor ich ihn dann aber auch schnell. Jetzt fing für mich das Leiden an.


Beim Schild „Kehre 48“ ging es mir noch gut. Überholten mich hier noch Radsportler mit Startnummern wurde es aber je höher ich kam immer weniger. Ich hatte das Gefühl der letzte im Rennen zu sein. Das Gefühl täuschte mich nicht. Ich war der letzte im Rennen!

Beim Aufstieg hat man viel Zeit zum Denken. Ich fragte mich warum mache ich das Ganze bloß? Warum? Ich wollte es allen zeigen die an mir gezweifelt hatten! Sie waren mein Ansporn. Dafür meinen DANK!

Als ich um 12:20 Uhr auf dem Dach des Giro angekommen war, war nicht einmal eine Verpflegungsstation aufgebaut. Nun stand ich da. Kaum etwas zu Essen und nichts mehr zu trinken. Verletzt von einem kleinen Sturz im Anstieg und letzter im Rennen. Keine guten Aussichten, oder?

So machte ich mich auf die Abfahrt. Im Tal angekommen gab es noch eine Verpflegungsstation. Ich traf auf viele die auf den Besenwagen warteten. Aber ich wollte nicht aufgeben. Nein nicht nach diesem Aufstieg. Ok. Essen und Trinken eingepackt machte ich mich wieder alleine auf den Weg.


Aber ich kam nicht in den Tritt. Jeder Hügel wurde zum Berg. Ich bekam keinem Druck auf die Pedale. Dann mein Entschluss! Ich drehe um und fahre zur Station und steige in den Besenwagen. Nach 10 Metern zurück hielt ich wieder an. Nachdenken….

„Du kannst nicht nach dem Joch aufhören“! Nein, wieder umdrehen und los. Nach 100 Metern bekam ich Nasenbluten. Also Anhalten und bluten lassen. Als die Blutung stoppt fahre ich wieder weiter. Als ich den halben Ofenpass geschafft habe geht nichts mehr. Die Steigung ist zu Steil. Ich steige ab. Ich will nicht mehr! Es kommt der Besenwagen und ich steige ein. Mit leerem Blick schaue ich aus dem Fenster. Aufgegeben! Mir stehen Tränen in den Augen.

Auf dem Ofenpass werden wir aus dem Besenwagen gelassen. Entweder weiterfahren, oder später wieder einsteigen sagte mir der Fahrer. Ich bin hin und her gerissen.
Plötzlich höre ich meinen Namen. Der Ruf kam von Björn! Der Rennarzt hatte ihn aus dem Rennen genommen.

@Björn, so enttäuscht du auch von dir bist. Die Gesundheit geht vor. Nächstes Jahr fahren wir Seite an Seite durchs Ziel!!

Nachdem ich mir das Höhenprofil angeschaut hatte, beschloss ich weiter zufahren. Klasse Entscheidung. Ich wurde mit der tollsten Abfahrt belohnt. Mit Tempo 70 Richtung Ziel.

Die letzten 90 km liefen sehr gut. Die Bergpassagen waren alle gut machbar. Ich kam an der Norbertshöhe zum letzten Stopp. Ich war einer der letzten 10 Fahrer und Fahrerinnen und ich hatte nur noch diesen Berg vor mir. Also rauf aufs Rad und Kurbeln. Alles lief gut, bis ich in Kehre 3 wieder Nasenbluten hatte. Nach endlosen 5 Minuten stoppte aber diese Blutung und ich fuhr weiter.

Nachdem ich die letzte Kehre bezwungen hatte kam das Hotel in Sichtweite. Den Ersten aus unserem Team, den ich dort sah, war… Haky. Mit Perücke? Jubel brach bei ihm aus und viele Leute stürmten auf die Terrasse und feuerten mich an. Ich hatte eine Gänsehaut und war total überwältigt von der Freude über meine Leistung.

Der letzte Pass, die Norbertshöhe.

Nach kurzer Abfahrt zum Ziel, wo ich mich wieder Menschen anfeuerten, fuhr ich nach über 11 Stunden ins Ziel. Ich habe wie in Trance mein Trikot abgeholt und machte mich alleine wieder zum Hotel aufgemacht.

Aber wer kommt mir entgegen? Haky, Michi und Basso!!
Wie die sich gefreut haben, dass werde ich im ganzen Leben nicht vergessen. Dieses viele Lob und die große Freude über meine Leistung.
Auch im Hotel war die Begeisterung zu spüren. Alle im Hotel wussten wie kurz ich erst beim Radsport bin. Mir wurde bewusste, dass ich etwas Besonderes geleistet habe.

Abschließen muss ich sage: Ich war nicht wirklich auf das was mich dort erwartet hat körperlich vorbereitet. Aber, wenn man im Kopf so eine Aufgabe positiv angeht, kann man doch mehr schaffen als man denkt.

Für nächstes Jahr habe ich mich wieder angemeldet und ich hoffe es nehmen noch mehr Mitglieder vom Ollanner Radteam teil.

Thomas

Radsport im Alten Land